Cold a Long Time: An Alpine Mystery

13 November 2012

Fragen von Herr Mag. Manuel Diwosch/ Tiroler Kronen Zeitung

Frage: Fall MacPherson: Haben Sie Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsberichte bekommen (bzw. die Eltern und Ihnen ausgehändigt)? Was steht da konkret über die Todesursache und was stammt davon von Walter Rabl? Er sagt, er musste nur die Identifizierung vornehmen und nichts zur Todesursache etc. sagen. Das wäre nicht sein Auftrag gewesen. Deckt sich diese Aussage mit Ihren Rechercheergebnissen?

Antwort: Ja, ich habe Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsberichte bekommen. Sehr wenige wurden einfach den Eltern ausgehaendigt. Sie erhielten alle Berichte erst nach einer langen Brief-Kampagne. Einige wichtige Dokumente wurden ihnen von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ueber zwei Jahre vorenthalten. Alle Berichte sind in den Quellenangaben meines Buches verzeichnet.

Erst sechs Stunden nachdem der Gendarmerie Posten Neustift ueber die Entdeckung der Leiche informiert wurde, wurde der Sprengelarzt Dr. Kurt Somavilla verstaendigt.  Zu diesem Zeitpunkt hatten Stubaier Gletscher Mitarbeiter die Leiche bereits von der Skipiste entfernt und der Innsbrucker Staatsanwalt Thomas Schirhakl hatte die Leiche schon fuer die Beerdigung freigegeben. Dies war eine Verletzung der "Gesamte Rechtsvorschrift für Dienstvorschrift für Sprengelärzte, LGBl. Nr. 8/1953," besonders § 3.2

Der Bürgermeister hat von jeder der Gemeinde erstatteten Todesfallmeldung unverzüglich den Sprengelarzt zu verständigen. Dieser hat sich zur Vornahme der Totenbeschau an Ort und Stelle zu begeben. Es ist strengstens untersagt, die Todesbescheinigung auszustellen, ohne vorher die Leiche am Sterbeort vorschriftsmäßig besichtigt zu haben.

http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrT&Gesetzesnummer=10000015&ShowPrintPreview=True

Mit nur einer Gondelfahrt zur Bergstation Eisgrat haette Dr. Somavilla die Fundstelle besichtigt. Jedes Jahr machen eine Million Touristen diese Gondelfahrt.

Dr. Somavilla fuehrte die Totenbeschau in der Totenkapelle in Neustift durch. Obwohl die Leiche noch gefroren und bekleidet war, hat Dr. Somavilla angeblich festgestellt, dass die Todesursache ein "Polytrauma nach Sturz in eine Gletscherspalte" war. 

Dr. Somavilla hat auf der "Anzeige des Todes" angegeben, dass eine Obduktion vorgenommen wurde. Dr. Rabl hat betont, Dr. Somavillas Feststellungen waren falsch. Laut Dr. Rabl war die Ursache des Todes nicht ein Polytrauma und keine Autopsie wurde durchgeführt.

Dr. Rabl hat auch erklärt: "Die Verletzungen selbst konnte ich nicht genau untersuchen; wir haben nie eine Autopsie durchgeführt; wir haben nur die Identifizierung durchgeführt."

Dr. Rabl hat Dr. Somavillas "Polytrauma" Festellung abgelehnt, aber er hat auch behauptet, die wahre Todesursache wurde nie geklaert. In 2004 hat er Lynda MacPherson geraten, sie sollte keine Klage gegen die Stubaier Gletscherbahn anstreben, "weil die Todesursache unklar bleibt."

Ich finde es bemerkenswert, dass Duncans Leiche 8 Tage im Institut für Gerichtliche Medizin lag bevor die "Anzeige des Todes" am Standesamt Neustift eingereicht wurde. Dr. Rabl wusste, dass Dr. Somavillas Festellung der Todesursache falsch war.  Laut §127 Abs I StPO in der (in 2003) relevanten Fassung, war eine Leichenbeschau und Leichenoeffnung vorzunehmen, wenn bei einem Todesfall zweifelhaft war, ob der Tod durch ein Verbrechen oder ein Vergehen verursacht worden sei. 

Warum hat Dr. Rabl die Staatsanwaltschaft betreffend die folgenden Umstaende nicht verstaendigt?

1) Duncans linkes Bein und beide Haende und Unterarme wurden in Stücke gehackt.

2) Seine Kleidung und die linke Skischuheinlage waren zerfetzt. 

3) Sein Snowboard war durch eine Fraese gegangen. 

Laut Absatz 4 im § 54 des Ärztegesetzes

Ergibt sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes der Verdacht, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder die schwere Körperverletzung herbeigeführt wurde, so hat der Arzt, sofern Abs. 5 nicht anderes bestimmt, der Sicherheitsbehörde unverzüglich Anzeige zu erstatten

http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011138&FassungVom=2003-07-24

Frau MacPherson hat Dr. Rabl mehrmals gesagt, sie wollte die Ursache von Duncans Tod wissen. Dr. Rabl hat beantwortet, er hatte den Auftrag nicht erhalten, eine Obduktion durchzuführen. Warum hat er Frau MacPherson nicht einfach gesagt, er koenne eine private Obduktion, auf Kosten der Familie MacPherson, durchführen?

Dr. Rabl hat Duncans Verletzungen ueberhaupt nicht erwaehnt bis Herr MacPherson die Verletzungen in einem Foto bemerkt hat. Dann hat Dr. Rabl gesagt, die Verletzungen wurden vom fliessenden Eis verursacht.  Zahlreiche forensische Experten, ein Ski-Unfall Ermittler, und ein renommierter Glaziologe sind einstimmig der Meinung, die Verletzungen wurden offensichtlich durch eine Maschine verursacht. 

Der Glaziologe (David Evans) fand Dr. Rabls Behauptung lächerlich: Gletscher Scherspannung würde Stücke einer gebrochenen Extremität auf beiden Seiten der Scherebene verschieben. Das heisst, die Stücke werden voneinander durch die Einwirkung des strömenden Eis getrennt. Offensichtlich würde man nicht die Stücke des zerkleinerten Bein in einer kompakten Masse zusammenfinden. Bitte beachten Sie, nicht nur sind die Knochen gebrochen; auch ist das Weichgewebe zerhackt. Ein renommierter Unfallchirurg erklärte mir, Duncan hat typische Decollement- und Ausrissverletzungen die man sehr oft in Unfaellen mit Maschinen sieht. 

 
Frage: Wissen Sie, ob die Eltern je eine Klage gegen die Republik Österreich angestrebt haben? Wenn nicht, warum nicht?

Sie haben sicher darueber nachgedacht. Aber aus ihrer langjaehrigen Erfahrung mit oesterreichischen Behoerden haben sie grosse Zweifel an der Fairness und Objektivitaet der oesterreichischen Justiz. Ein oesterreichischer Anwalt hat Ihnen gesagt, es gibt ein hohes Risiko, dass das Gericht in Innsbruck parteiisch sein wird, vor allem wenn der Beklagte ein einflussreicher Einheimischer ist. Die Erfahrung der Vollrath und Foeger Familien mit der Innsbrucker Justiz ist auch sehr entmutigend. Dann gibt es die harte Tatsache, die MacPhersons koennen sich einen Anwalt nicht leisten. 

Frage: Die Feststellungen des zurückgegebenen Snowboard/des abgestellten Autos: Wurde das in den Polizeiberichten auch so festgehalten? Was sagten die Ermittler, als Sie sie damit konfrontierten.

Das Snowboard: Zunächst (am 23 Sept. 1989) sagte der Snowboardlehrer, Walter Hinterhoelzl, dass Duncan sein "Duret" Snowboard und Skischuhe vom Sport Shop 3000 auf der Bergstation Eisgrat gemietet hat. Zunächst (am 23 Sept. 1989) hat Sport Shop-Manager Seppi Repetschnig Hinterhoelzls Aussage weder bestätigt noch dementiert. Als Seppi gefragt wurde, ob Duncan sein Snowboard zurueckgegeben habe, anwortete Seppi, er wisse es nicht, weil er seine Unterlagen schon entsorgt hat. Allerdings betonte er, dass kein Snowboard fehlte.

In einem vertraulichen Fernschreiben des kanad. Departments fuer auswärtige Angelegenheiten vom 1989.09.30, hat der kanadische Konsul Ian Thomson geschrieben:

Snowboard Lehrer Hinterhoelzl 100% sicher, dass das Snowboard zurückgegeben worden ist.

Leider hat Konsul Thomson diese Informationen den MacPhersons nicht mitgeteilt. Hätte er das getan, haetten sie Hinterhoelzl gebeten zu erklären, wie er festgestellt hat, dass das Snowboard zurückgegeben worden ist. 

Im Februar 1990 haben die MacPhersons eine Kopie des "Abschlussbericht der Sicherheitsdirektion fuer Tirol an das oesterreichische Aussenministerium" bekommen.  In diesem Bericht wurde festgestellt:

Zu berichten ist noch, dass das von duncan macpherson am 9.8.1989 ausgeliehene snowboard und die entsprechenden schuhe zurueckgegeben worden sind. Wer diese gegenstaende zurueckgab und wann dies genau war laesst sich nicht feststellen.

Das Auto: Am 1. Sept 1989 sprachen Herr und Frau MacPherson mit Beamten des GP Schönberg im Stubaital. Herr MacPherson erklaerte, er hatte Angst, dass Duncan in einen Unfall in den Bergen rund um Innsbruck verwickelt war. Ein Gendarm hat ihm versichert, kein Auto könnte in einem bergigen Gebiet länger als ein paar Tage geparkt sein ohne gemeldet zu werden. Jedem in der Gegend war bewusst: Ein verlassenes Auto ist ein sicheres Zeichen dass der Fahrer wahrscheinlich verunglueckt ist. 

Drei Wochen spaeter, am 22 September 1989, haben die MacPhersons Duncans Auto gefunden.  Es war circa 100 Meter von der Stubaier-Gletscherbahn Talstation abgestellt. 

Zunächst hat der Parkwächter gesagt, er war sicher, das Auto sei auf dem Parkplatz nach dem 1. September erschienen. Der Parkplatz wurde um 1. September renoviert, was es notwendig machte, alle Autos vom Parkplatz zu entfernen. Später haben die MacPhersons entdeckt, in der Tat war das Auto seit 9. August (42 Tage) abgestellt.  Auch bei der Sanierung des Parkplatzes meldete niemand von der Stubaier Gletscherbahn das Auto. Der Mann, der letztendlich das Auto gemeldet hat (nachdem er einen Hinweis auf "Tirol Heute" am 20 Sept. sah) war nicht ein Mitarbeiter der Stubaier Gletscherbahn, sondern ein Maurer, der die Sanierungsarbeit geleistet hat. 

Frage: In der Süddeutschen werden noch zwei weitere Fälle erwähnt: Susi Greiner und Raven Vollrath. Haben Sie diese Fälle auch ausrecherchiert oder wurden diese nur von der SZ dazugenommen?

Antwort: Obwohl mein Buch vom Fall MacPherson handelt, habe ich auch über diese anderen Fälle kurz geschrieben. Meine wichtigste Informationsquelle fuer beide Faelle war Zoran Dobrics ORF Thema Sendungen. Für seine Berichterstattung über den Fall Vollrath hat Dobric den Robert Hochner Preis gewonnen (an ihn persönlich von Bundespräsident Fischer ueberreicht). Ich erzaehlte dem SZ Magazin Journalist von den Thema Sendungen, und er diskutierte die Fälle mit Dobric.

Frage: Im Fall Susi Greiner soll das BKA Deutschland die Ermittlungen der Österreichischen Behörden lückenlos bestätigt haben. Welches Beweismaterial liegt Ihnen diesbezüglich vor, dass die Österreichischen Behörden hier Mist gebaut hätten?

Antwort: Susi Greiner: Dr. Rabl hat festgestellt, dass sie an Unterkühlung gestorben ist und dass ihre einzige Verletzung eine Platzwunde am Kopf war.

1) Wie haben die Ermittler festgestellt, dass sie nicht gezwungen wurde sich bei kaltem Wetter in dieser Hoehe auszuziehen?

2) Wie haben die Ermittler festgestellt, dass sie nicht auf den Kopf geschlagen wurde? 

3) Wenn sie auf einen Stein fiel, wie haben Ermittler festgestellt, dass sie nicht von jemandem gestossen worden ist? 

Soweit wie ich weiss, war sie nie für psychische Stoerungen behandelt worden. Ist es nicht seltsam, dass sie 2000 Höhenmeter nackt und barfuß kletterte? Ist es nicht seltsam, dass sie 2000 Höhenmeter über felsiges Gelände kletterte ohne Abschuerfungen an ihren Füßen?  Ist es nicht seltsam, dass ihre Kleidung und Schuhe an verschiedenen Orten im Tal gefunden wurden?

http://tirv1.orf.at/stories/258620

Wenn das BKA Deutschland mit der österreichischen Untersuchung zufrieden ist, nehme ich an, es hatte Zugang zu viel mehr Informationen als die Öffentlichkeit. Aber wenn der Fall geschlossen ist und keine weiteren Ermittlungen im Gange sind, warum hat man die Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen nicht einfach mitgeteilt? Vielleicht in diesem Fall liegt das Problem nicht mit der polizeilichen Ermittlung, sondern mit der Berichterstattung.

Raven Vollrath: Wie ist es möglich, dass Dr. Rabl die Messer-Löcher in Ravens Shirt nicht gesehen hat? Dr. Rabl hat das folgende Foto des Hemdes gemacht:

Ich habe dieses Foto (ohne rote Pfeile) zahlreichen forensischen Wissenschaftlern gezeigt, und alle haben die Löcher in weniger als 10 Sekunden bemerkt. 

Lesen Sie bitte die "Gesamte Rechtsvorschrift für Vornahme der gerichtlichen Totenbeschau, RGBl. Nr. 26/1855, besonders § 31 “Untersuchung und Beschreibung der Kleidungsstücke”

http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10001662

Der folgende Satz ist zutreffend:

Eine besonders sorgfältige Untersuchung erheischen die in selben vorgefundenen Löcher, welche durch die bei der Verwundung gebrauchten Werkzeuge verursacht wurden.

Wie ist es moeglich, dass Dr. Rabl die Messerspuren auf Ravens Rippen und Brustbein nicht bemerkte? Es ist bedenklich, dass der Sprengelarzt (der die Auffindungstelle besichtigte) schon Fremdverschulden vermutet hat.

Frage: Wenn Sie sich selbst mit diesen Fällen beschäftigt hatten, hier meine Fragen: Wussten Sie, dass Angehörige im Fall Vollrath die Republik, das Gerichtsmedizinische Institut Innsbruck und Walter Rabl geklagt hatten. Diese Klage wurde vergangene Woche vom OGH abgewiesen. Glauben Sie, dass hier eine Verschwörung im großen Stil im Gange ist?

Antwort: Ich weiss, dass die Vollrath Klage vergangene Woche vom OGH abgewiesen wurde. Das Gericht hat die Unrichtigkeit des gerichtsmedizinischen Sachverstaendigengutachtens nicht bestritten. Trotzdem hat das Gericht entschlossen: Dr. Rabl haftet nicht fuer sein unrichtiges Gutachten. 

Nein, ich glaube NICHT dass hier eine Verschwoerung im grossen Stil im Gange ist.  Dennoch ist Innsbruck eine relativ kleine Stadt und die Justizbeamten kennen einander. Ich wuerde daher nicht die Gefahr der Befangenheit in solchen Fällen ausschliessen. 

Frage: Wenn man alle Fälle gemeinsam betrachtet: Glauben Sie, dass in der Gerichtsmedizin Innsbruck bewusst, Fälle manipuliert werden und es hier besonders einfach ist? Wenn ja, was glauben Sie, steckt dahinter?

Antwort: Man muss das Verhalten der Gerichtsmedizin Innsbruck von Fall zu Fall evaluieren. Ich habe die Duncan MacPherson Geschichte fast drei Jahre recherchiert, und ich persoenlich finde Dr. Rabls Verhalten in diesem Fall äusserst fragwuerdig. Ich verstehe, dass jeder - auch ein hoch anerkannter und bezahlter Gerichtsmediziner- macht Fehler, und ich habe deshalb Lynda MacPherson geraten, sie sollte Dr. Rabl ueber sein Verhalten einfach fragen. Seine Antworten auf diese Fragen sind in meinem Buch zu lesen. Der Leser kann für sich selbst beurteilen, ob seine Antworten zufriedenstellend sind.

Frage: Was steckt dahinter? 

Antwort: Ich vermeide Spekulationen in meinem Buch, aber die Gesamtheit der Fakten die ich präsentiere wird dem Leser ermöglichen sich seine eigene Meinung zu bilden.