Cold a Long Time: An Alpine Mystery

Raven Vollrath

Wie ich in Kapitel 26 von Eiskalter Tod erwähnt habe, wurde im Juni 2006 in einem Flussbett in der Nähe des tirolischen Skigebiets Zöblen die verweste Leiche von Raven Vollrath gefunden. Da Dr. Rabl an der Leiche keine eindeutigen Hinweise auf Fremdeinwirkung feststellen konnte, schloss die Staatsanwaltschaft Innsbruck den Fall. Ravens Eltern gaben sich damit jedoch nicht zufrieden und stellten eigene Ermittlungen an. Mit Hilfe von Zoran Dobric, der eine preisgekrönte Dokumentation fuer die ORF-Sendung Thema produzierte, wurde der Fall neu aufgerollt und deutsche Ermittler fanden Beweise dafür, dass Raven von seinem Reisegefährten ermordet worden war.

Nachdem man den Tatverdächtigen 2008 in Deutschland verhaftet hatte, kehrten die Vollraths nach Innsbruck zurück, um zur Vorbereitung des Gerichtsverfahrens weiteres Beweismaterial zu sammeln. Als erstes baten sie Staatsanwalt Rudolf Koll um die Fotos von der Autopsie, doch gab dieser ihnen nur grobkörnige Fotokopien der Originalbilder. Dann suchten sie Dr. Rabl auf, der ihnen mitteilte, er könne ihnen die Fotos ohne Genehmigung der Staatsanwaltschaft nicht aushändigen. Dank der Hartnäckigkeit ihres Anwaltes bekamen sie die Bilder aber schließlich doch und sahen, dass eines davon Ravens auf dem Seziertisch ausgebreitetes T-Shirt zeigte. Im Brustbereich waren zwei Löcher gut zu erkennen, die von einem scharfen Gegenstand wie etwa einem Messer herrührten.

Oben: Foto von Raven Vollraths T-Shirt am Seziertisch, Gerichtsmedizin Innsbruck, 12.06.2006

Als der deutsche forensische Biologe Mark Benecke die Autopsiefotos zu Gesicht bekam, riet er den Vollraths, Ravens Leiche zu exhumieren. Eine Gerichtsmedizinerin aus Jena nahm daraufhin eine zweite Untersuchung vor entdeckte an einer von Ravens Rippen mit bloßem Auge eine Verletzung, die von einem Messer stammen musste. Im weiteren Verlauf der Untersuchung stellte sie ähnliche Schnitte an einer weiteren Rippe und am Brustbein fest.

Dr. Rabl behauptete, er habe die Spuren an Ravens T-Shirt und die Stichwunden an seinen Rippen schlicht nicht bemerkt, doch hielten die Vollraths dies für nicht glaubhaft. Schließlich hatte Dr. Rabl selbst das Foto gemacht, auf dem die Löcher im T-Shirt klar zu erkennen sind.

Auch ist die Rechtsvorschrift für Vornahme der gerichtlichen Totenbeschau sehr klar bezüglich die Untersuchung von Kleidung (Sehen Sie §. 31 und §. 32). Ebenso seltsam war, dass dieses T-Shirt danach an Gerichtsmedizin Innsbruck verbrannt wurde. In einer ORF-Thema Sendung von 22.12.2008 berichtete Zoran Dobric über diese Nachlässigkeit der Behörden.

Wie die MacPhersons glauben die Vollraths, dass man sie hintergangen und betrogen hat. Bis heute jedoch sind sämtliche ihrer Versuche, die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen, abgeschmettert worden. Im November 2011 verklagten die Vollraths Dr. Rabl wegen seines unrichtigen Gutachtens.  Im Mai 2012 entschied das Innsbrucker Gericht, dass Dr. Rabl nicht für sein unrichtiges Gutachten hafte. Dieser Beschluss wurde von dem Obersten Gerichtshof in Oktober 2012 bestätigt.

Susi Greiner

Im August 2006 – kurz nachdem man Raven Vollraths Leiche gefunden hatte – verschwand die hübsche 28-jährige deutsche Kellnerin Susi Greiner in Südtirol. Zwei Wochen später wurde ihre vollkommen nackte Leiche auf einem Berg (dem Karwendel) gefunden, 1000 Höhenmeter oberhalb des Parkplatzes, wo sie ihren Wagen abgestellt hatte. Ihre Kleidung, ihre Wanderstiefel und ihr Rucksack, in dem sich ein Laptop und ein Mobiltelefon befanden, tauchten später an verschiedenen Punkten im Tal auf.

http://tirv1.orf.at/stories/258620

Von ihrem Laptop und Mobiltelefon waren sämtliche Daten – und somit alle Anhaltspunkte für eine Kommunikation vor ihrem Tod – gelöscht worden. Obendrein hatte man sie zum letzten Mal mit einem unbekannten Mann auf dem Beifahrersitz ihres Wagens gesehen.

Trotz dieser verdächtigen Umstände fand Dr. Rabl an ihrer Leiche keinerlei Hinweise auf Fremdweinwirkung und schloss daraus, sie sei an Unterkühlung gestorben. In einem Bericht des ORF hieß es: »Als einzige Verletzung haben die Ärzte eine Platzwunde am Kopf festgestellt, diese Wunde dürfte entstanden sein, als die Frau im Gelände mehrere Meter abgerutscht und hingefallen war.«

http://tirv1.orf.at/stories/131143

Aus Dr. Rabls Ergebnissen schloss die Polizei, dass Susi (in einem bei Touristen beliebten Gebiet) nackt und ohne Schuhe in die große Höhe aufgestiegen und dort an Unterkühlung gestorben sei.

Susis Mutter fragte Dr. Rabl nach dem Zustand der Füße ihrer Tochter. Er entgegnete, sie wiesen keine außergewöhnlichen Spuren auf, lediglich etwas Gras zwischen den Zehen. Wie, so wollte Susis Mutter wissen, war ihre Tochter dann mehrere Stunden lang barfuß über steiniges Gelände gewandert, ohne ihre Fußsohlen aufzuschürfen? Frau Greiner hätte Dr. Rabl auch fragen können, wie er darauf gekommen sei, dass die Platzwunde an Susis Kopf von einem zufälligen Sturz herrühre und nicht von einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand oder durch Kontakt mit dem Gestein, weil ein Angreifer sie zu Boden gedrückt habe.

Luca Elias

Univ Prof. Dr. Klaus Schwaighofer hat den folgenden Sachverhalt im Fall Luca Elias veröffentlicht:

"Im Juli 2007 wurde der damals 14 Monate alte Luca von der Kindesmutter wegen Atemschwierigkeiten und eines dunklen Ausschlags im Gesäßbereich in das Krankenhaus Mödling gebracht und dort behandelt. Die Kindesmutter war zu diesem Zeitpunkt mit ihren beiden Kindern auf Besuch bei ihrem Freund in Schwechat. Da die behandelnden Ärzte diverse Hämatome feststellten, die einen Verdacht auf Kindesmisshandlung („battered child") begründeten, schalteten sie das Jugendamt der BH Mödling ein. Wegen des Wohnsitzes der Kindesmutter in Tirol wurde das örtlich zuständige Jugendamt in Tirol telefonisch verständigt, das mit der Kindesmutter sogleich Kontakt aufnahm. Die Kindesmutter erteilte ihre Zustimmung zur Transferierung von Luca in das Krankenhaus nach Innsbruck.

Dort bestätigte sich bei einer neuerlichen Untersuchung der Verdacht auf eine Kindesmisshandlung. Die Klinik empfahl dringend die Einleitung einer ambulanten Stützmaßnahme. Nach Auskunft des behandelnden Arztes habe das Kind aber keine ernsthaften Verletzungen, es gebe keine Zeichen von schwerer Misshandlung, sodass aktuell keine akute Gefährdung bestehe. So wurde beschlossen, das Kind unter einigen Auflagen in Eigenpflege der Kindesmutter zu belassen. Diese erklärte sich damit einverstanden und unterzeichnete eine förmliche Vereinbarung über die ambulante Unterstützung der Erziehung für Luca durch einen Familienberatungsverein, zunächst für drei Monate. Die Kindesmutter verpflichtete sich u.a., Luca anfangs zweimal wöchentlich, danach einmal im Monat dem Kinderarzt vorzustellen und nicht zu Besuchen beim Lebensgefährten mitzunehmen.

Am 1.10.2007 wurde die Jugendwohlfahrt telefonisch informiert, dass die Kindesmutter die Vereinbarung gebrochen hatte und mit Luca zu ihrem Freund nach Niederösterreich gefahren war. Sie wurde aufgefordert, umgehend nach Tirol zurückzufahren und den Familienberatungsverein zu kontaktieren.

Am 3.10.2007 kam die Kindesmutter mit Luca in die Innsbrucker Klinik, wo ein gebrochener linker Unterarm und blaue Flecken auf der rechten Kopfhälfte festgestellt wurden. Die Mutter gab den Ärzten gegenüber an, das Kind sei vor ein paar Tagen aus dem Bett und auf ein Spielzeug gefallen; sie habe nur an eine Prellung gedacht und diese zunächst mit einer Salbe behandelt.

Das Jugendamt veranlasste daraufhin die Untersuchung durch einen Gerichtsmediziner; bis zum Vorliegen des Ergebnisses der Untersuchung durfte die Kindesmutter Luca nicht nach Hause nehmen. Die Untersuchung konnte keinen direkten Hinweis auf Fremdeinwirkung feststellen; die Theorie der Kindesmutter wurde für möglich angesehen. Da aus Sicht des behandelnden Arztes nichts Gravierendes gegen die Kindesmutter sprach und keine das Kindeswohl gefährdenden Umstände erkennbar waren, wurde Luca unter gleichzeitiger Anordnung engmaschiger Kontrollen der Kindesmutter ausgefolgt.

In der Nacht von 1. auf 2.11.2007 starb Luca im Krankenhaus Schwechat. Luca war vom Freund der Mutter geschlechtlich missbraucht worden und an den Folgen dieser Tat gestorben. Die Obduktion ergab noch einen unentdeckten Armbruch, vermutlich aus dem Zeitraum zwischen Mitte Juli und Anfang August 2007, sowie einen Rippenbruch eine Woche vor dem Tod des Kindes."...........Ende des Zitats..............

http://goo.gl/YbGK8

Drei Wochen nach dem Mord an Luca wurden Fotos des verletzten Gesäßes des Kindes (aufgenommen im Juli 2007) von einer anonymen Quelle an den ORF gesendet.

http://www.youtube.com/watch?v=-QaGW4CBjwI

Auch auffällig sind die zwei ovalären Hämatome am linken Oberarm--typische Zeichen von Kindesmissbrauch (festes Anpacken des kindlichen Oberkoerpers). Das korrelliert eventuell auch mit dem Symptom der "Atemschwierigkeiten," denn beim „battered child syndrom“ kommt es durch das Schütteln des Kindes oft zu Störungen des noch unreifen Atemzentrums; erstens durch das Schütteln selbst, zweitens durch das (vor allem bei kleineren Kindern) Zusammendrücken des Thorax →Rippenbrüche →Kind wird „apathisch“(hat ja Schmerzen beim Atmen), kann nicht mehr tief genug Luft holen, um zu Schreien, sonst noch mehr Atemnot.

Der Gerichtsmediziner, der Luca's Verletztungen im Oktober 2007 untersuchte, war Dr. Walter Rabl.

In Mai 2008 gab es einen Prozess gegen Lucas Mutter und eine Tiroler Sozialarbeiterin wegen Vernachlässigung der Fürsorgepflicht. Die angeklagte Sozialarbeiterin, die seit mehr als 20 Jahren im Bereich der Jugendwohlfahrt tätig ist, betonte, dass sie sich in erster Linie auf die Expertise des Innsbrucker Gerichtsmediziners Walter Rabl verlassen habe, der in seinen Ausführungen von „grober Behandlung“, nie aber von sexuellem Missbrauch ausgegangen ist. Trotzdem wird die Sozialarbeiterin fuer schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe von 1200 Euros wegen schwerer Koerperverletzung durch Unterlassung verurteilt. Laut Staatsanwaltschaft Innsbruck wird es im Fall Luca kein Strafverfahren gegen ÄrztInnen und weitere MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt geben.

http://www.graz.at/cms/beitrag/10122565/2167322/

Diese Sache wirft eine grosse Frage auf: Wie kam Dr. Rabl zu dem Schluss, dass die Angabe der Mutter ("aus dem Bett und auf ein Spielzeug gefallen") glaubhaft war?

Die Universitätsklinik für Pädiatrie vermutete Kindesmisshandlung, aber das Jugendamt ist Dr. Rabls Meinung gefolgt. Warum? Aus welcher Fachliteratur oder praktischer Erfahrung hat Dr. Rabl seine Schlussfolgerungen gezogen?

Eine Google-Suche mit den Worten "injuries children falling out of bed" ergab diesen Artikel aus dem renommierten Journal of Pediatric Orthopaedics:

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/3558802

Die wichtigste Schlussfolgerung der Studie:

Schwere Kopf-, Hals-, Wirbelsäulenverletzungen und Verletzungen der Extremitäten sind äußerst selten wenn Kinder aus dem Bett fallen. Kindesmisshandlung sollte vermutet werden (...) wenn ein Kind schwere Verletzungen hat und die gemeldete Ursache ein Sturz aus dem Bett ist.

Eine Google-Suche mit den Worten "Gewalt gegen Kinder erkennen" ergab die folgende Broschuere des Bund Deutscher Kriminalbeamter.

http://goo.gl/UxoTy

Im Kapitel 10, "Erkennen von Kindesmisshandlungen/Verdachtsmomente" ist zu lesen:

Unterarmfrakturen sind bei misshandelnden Kindern oft anzutreffen, da der Unterarm nicht selten als Hebel zum Schütteln und Schleudern benutzt wird. Das Auftreten von Knochenbrüchen bei Kindern von einem Lebensalter unter drei Jahren muss generell als hoch verdächtig angesehen werden und erfordert weitere Untersuchungen. Röntgenologische Untersuchungen sind auf jeden Fall erforderlich.

Ein Paar Monate nach dem Mord an Luca gab es in Innsbruck einen weiteren Fall eines Kinds mit verdaechtigen Verletzungen. Laut einem ORF Bericht:

Klarheit erhofft man sich von den Untersuchungen an der Gerichtsmedizin Innsbruck. Wie man erkennen kann, ob blaue Flecken vom Spielen oder von einer Misshandlung stammen, erklärt Gerichtsmediziner Walter Rabl in "Tirol heute."

http://tirv1.orf.at/stories/248293

 

Denisa Soltisova

Denisa Soltisova war die slowakische Pflegerin eines pensionierten Urologen in der oberösterreichischen Stadt Vöcklabruck. Am Abend des 19. Januar 2008 wurde sie zum letzen Mal lebendig gesehen. Zehn Tage später, also am 29. Januar 2008, fand man ihre vollkommen nackte Leiche in der Ager, 13 Kilometer flussabwärts von Vöcklabruck. Fünf Stunden später schloss der Welser Staatsanwalt Wolfgang Tursky ohne vorangegangene Obduktion, dass es sich um einen Selbstmord handele, und gab die Leiche zur Beerdigung in der Slowakei frei.

Die mit der österreichischen Ermittlungsarbeit (bzw. deren Ausbleiben) unzufriedenen Eltern von Denisa Soltisova beauftragten die Gerichtsmediziner Josef Krajčovič und Lubomir Straka mit der Untersuchung von Denisas Leiche. Sie fanden Blutergüsse an ihren Unterarmen und den Innenseiten der Oberschenkel, die auf ein Gewaltverbrechen schließen ließen. Die Blutergüsse am rechten Oberschenkel wiesen gleichmäßige Größen und Abstände auf – wie die Größe und Abstände der Finger einer menschlichen Hand. Zudem fanden sich in ihrem Blut Medikamente (Sulfinpyrazon und Glibornurid) gegen Gicht und Diabetes, obwohl sie an keiner dieser Krankheiten litt. Zusammen eingenommen, verursachen die beiden Wirkstoffe eine dramatische Senkung des Blutzuckerspiegels. Die »Pflegerin« und Serienmörderin Elfriede Blauensteiner hatte den aktiven Wirkstoff im Glibornurid (Sulfonylharnstoff) verwendet, um ihre Opfer zu vergiften.

Als der österreichisch-slowakische Autor Martin Leidenfrost in Die Presse einen Artikel über den Fall veröffentlichte, wurde dieser in Österreich nominell wiedereröffnet und der Linzer Gerichtsmediziner Johann Haberl damit beauftragt, die Ergebnisse seiner slowakischen Kollegen zu beurteilen. Aus seiner Analyse der Obduktionsbilder schloss Haberl, dass es möglich – wenn auch nicht eindeutig klar – sei, dass die Spuren an Denisas Armen und Oberschenkeln Verletzungen durch Gewalteinwirkung seien, die man ihr zugefügt habe, als sie noch am Leben gewesen sei. Aufgrund des fortgeschrittenen Verwesungsgrades der Leiche könne man jedoch nicht sicher sein, behauptete er.

Der renommierte Wiener Pharmakologe Michael Freissmuth wiederum hielt es für unwahrscheinlich, dass Denisa die Medikamente eingenommen hatte, um Selbstmord zu begehen. In seinem an den Welser Staatsanwalt Wolfgang Tursky gerichteten Gutachten schrieb er:

Die Einnahme aus suizidaler Absicht ist auch nicht plausibel (…) Wenn sie einen Suizid geplant hätte, dann wäre es plausibler, dass sie große Mengen des Sulfonylharnstoffs geschluckt hätte, um rasch an der Hypoglykämie zu versterben. (…) Es ist auch schwer nachvollziehbar, wozu Frau Mag. Soltisova zuerst Sulfonylharnstoff hätte nehmen sollen, um sich dann in den Fluss zu stürzen. Die Unterzuckerung wäre dafür hinderlich: Sie wäre zu schwach, bewusstseinsgetrübt und motorisch unkoordiniert gewesen, um den [circa 1,5 Kilometer] Weg bis zum Fluss zurückzulegen. Viel plausibler und wahrscheinlicher ist der Umstand, dass Frau Mag. Soltisova Glibornurid und Sulfinpyrazon von ihr unbemerkt beigebracht worden ist.  (…) Vorstellbar wäre z.B. ein Szenario, wo Frau Mag. Soltisova zunächst die Kombination von Glibornurid und Sulfinpyrazon in einer geringen Dosis verabreicht wurde, um sie durch die einsetzende Unterzuckerung soweit zu beeinträchtigen, dass sie relativ leicht in den Fluss gestoßen werden konnte.  [Univ. Prof. Dr. Michael Freissmuth, 23.6.2010]

An diesem Punkt hatten also bereits drei Wissenschaftler Anhaltspunkte für einen dringenden Mordverdacht gefunden, während ein vierter der Ansicht war, dass ein Mord nicht auszuschließen sei. Der nächste logische Schritt war es daher, umfassende polizeiliche Ermittlungen in Denisas Fall einzuleiten. Stattdessen beauftragte Staatsanwalt Tursky (in November 2010) Dr. Rabl mit der Auswertung des slovakischen Gutachtens.

http://derstandard.at/1293369706708/Tote-aus-dem-Fluss-im-Gutachter-Reigen?_lexikaGroup=7

Acht Monate später präsentierte Rabl seine Ergebnisse. Seiner Ansicht nach seien die Defekte an Unterarmen und Oberschenkeln makroskopisch unmöglich von postmortalen Fäulnis- und Hämolyseflecken zu unterscheiden. Was die in Denisas Blut festgestellten Medikamente betraf, schloss Dr. Rabl:

Die in der Slowokei durchgeführten chemisch-toxikologischen Untersuchungen entsprachen weder in Betreff der Probenauswahl noch nach Art und Weise ihrer Durchführung dem forensisch-toxikologischen Mindeststandard, der für Interpretationen erforderlich wäre.

Nachdem Dr. Rabl diese Ergebnisse präsentiert hatte, stellte der Welser Staatsanwalt Wolfgang Tursky das Verfahren ein. Seine Presseerklärung zu dieser Einstellung schloss mit den Worten:

Tatsächlich hat die ursprüngliche Einschätzung der Staatswaltschaft Wels und des Gerichtsmedizinischen Instituts Salzburg-Linz Bestätigung erfahren. [Staatsanwaltschaft Wels, Einstellung des Verfahrens, 30. Juni 2011]

Wie obiger Rechtfertigungsversuch nahe legt, war Staatsanwalt Tursky befangen, da er es gewesen war, der den Fall am 29. Januar 2008 vorzeitig geschlossen hatte, ohne eine Autopsie anzuordnen. Ohne Autopsie aber war es unmöglich, im Fall einer toten jungen Frau, die man vollkommen nackt in einem Fluss gefunden hatte, eine Straftat auszuschließen.

In §128 Abs. 2 der StPO heißt es: »Eine Obduktion ist zulässig, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tod einer Person durch eine Straftat verursacht worden ist.«

Somit stellte das slowakische Gutachten das professionelle Urteil von Staatsanwalt Tursky scharf in Frage. Dies lässt den Verdacht aufkommen, er könnte gewollt haben, dass der Obergutachter Dr. Rabl seinen slowakischen Kollegen Fehler nachweist.

Da ich noch eine weitere Meinung über die Spuren an Denisas Unterarmen und Oberschenkeln einholen wollte, leitete ich die entsprechenden Autopsiebilder an Dr. Terri Haddix weiter, eine forensische Pathologin in einem unabhängigen forensischen Labor. Ich erklärte Dr. Haddix, die Leiche habe bis zu zehn Tage lang unter Wasser gelegen (bei einer Temperatur von etwa 6 Grad Celsius) und sei danach noch einige Tage unter nicht weiter geklärten Bedingungen gelagert worden, bis die Fotos gemacht wurden. Nachdem sie sich die Bilder angesehen hatte, stellte sie fest:

Die Verletzung auf der Rückseite des rechten Arms (die auf einem der letzten Fotos angeschnitten zu sehen ist) ist offenbar tatsächlich eine Bluterguss, nicht nur eine Folge der Verwesung. Die Spuren an ihrem linken Schenkel weisen ein Muster auf (z.B. regelmäßige Abstände und ähnlich ausgerichtet), wenngleich das nicht zwingend bedeutet, dass sie vor dem Eintritt des Todes hervorgerufen wurden. Aus meiner Erfahrung in den Vereinigten Staaten heraus kann ich sagen, dass es sehr, sehr verdächtig ist, wenn man eine nackte Frau in einem Fluss findet. Wenn es sich hierbei um meinen Fall handelte, bedürfte es schon extrem stichhaltiger Beweise (auch ohne überzeugende ante mortem zugefügte Verletzungen), wollte man auf eine andere Todesursache als eine ungeklärte (oder möglicherweise Mord) schließen, etwa auf Selbstmord oder Unfall. [Email von Dr. Terri Haddix an John Leake, 28.11.2012]

Oben: Foto des Haematoms auf dem rechten Unterarm, angeschnitten um die tiefe Blutdurchsickerung zu zeigen.

Oben: Foto der Blutergüsse am rechten Oberschenkel

Dr. Rabls Kritik an den toxikologischen Erkenntnissen der Slowaken ist ebenfalls fragwürdig. Das Labor, das die Analyse durchführte, stellte die Medikamente in Denisas Blut mittels einer Gaschromatographie-Massespektrometrie fest – eine Standardmethode zur Untersuchung Blutserums.Wie genau hatte Dr. Rabl festgestellt, dass das slowakische Labor für beide Medikamente zu einem falschen positiven Ergebnis gekommen war? Die Presseerklärung von Staatsanwalt Tursky sagt darüber nichts aus.

Laut Dr. Nikolas P. Lemos, Chief Forensic Toxicologist, City & County of San Francisco:

Die Existenz des Medikaments würde [von GC-MS] bestätigt werden. Das Medikament wird nicht spontan im Gerät generiert--wenn es nachweisbar ist, dann deshalb, weil es aller Wahrscheinlichkeit nach in der Probe existiert.  [Email von Dr. Nikolas P. Lemos an den Gerichtsmediziner Dr. Christopher Happy, weitergeleitet an John Leake, 29.11.2012].

In seiner E-Mail Korrespondenz mit mir, erklärte Dr. Krajčovič:

Mit Dr. Rabl haben wir uns niemals getroffen, auch haben wir nicht mit ihm kommuniziert. (...) Die Behauptungen Dr. Rabls wurden uns nicht erklärt. Den angeführten Fall habe ich auch mit anderen gerichtsmedizinischen Experten aus mehreren europäischen und auch nicht-europäischen Staaten (Holland, Finnland, Kanada) auf dem XXI. Kongress der IALM (International Academy of Legal Medicine) 2009 in Lissabon konsultiert, und zwar in Zusammenhang damit, dass es sich um vitale subkutane Blutergüsse an den Armen und Beinen der verstorbenen D. Šoltísová handelte(der Körper war auch nach der Überführung in die Slowakei in einem Kühlraum gelagert) und dass es nicht um Artefakte ging, respektive um Veränderungen nach dem Tode, wie das Dr. Rabl angeblich angeführt hat. Darin sehe ich den grundsätzlichen Widerspruch zwischen Dr. Rabls Behauptung und unseren Schlussfolgerungen im Sachverständigengutachten. Zur toxikologischen Untersuchung kann ich mich nur teilweise äußern, in diesem Fall realisierte eine Doktorin-Toxikologin mit zehnjähriger Erfahrung die toxikologische Untersuchung im Standardverfahren, in einem analogen Verfahren, wie sie auch in Österreich durchgeführt wird. [Email von Dr. Jozef Krajčovič an John Leake, 12.12.2012, Übersetzung aus dem slowakischen von Martin Leidenfrost].

Mehreren Zeugen zufolge zeigte Denisa in den Wochen vor ihrem Tod Anzeichen extremer Erschöpfung und Konzentrationsschwäche – klassische Symptome einer Unterzuckerung, die durch eine gleichzeitige Gabe jener Medikamente ausgelöst wird, die das slowakische Institut in ihrem Blut gefunden hatte. Mehr noch: Als sie zum letzten Mal gesehen wurde, ging sie barfuß, nur mit T-Shirt und Slip bekleidet, eine Straße in der Nähe ihrer Wohnung entlang. Sie wirkte desorientiert und hatte einen apathischen Gesichtsausdruck – ein typisches Verhalten bei Unterzuckerung.

Insgesamt hätten angesichts der Umstände von Denisas Tod unverzüglich eine Autopsie angeordnet und gründliche Ermittlungen eingeleitet werden müssen, konzentriert auf den Haushalt, in dem sie lebte und arbeitete. Martin Leidenfrost, der schließlich ein Buch über den Fall veröffentlichte (Die Tote im Fluss), entdeckte Hinweise darauf, dass sich zwischen Denisa und dem alten Primar, den sie versorgte, eine freundschaftliche Beziehung entwickelt hatte. Einmal hatte er »im Scherz« gesagt, er habe Denisa so gern, dass er ihr am liebsten etwas vererben würde. Aufgrund dieser Information forderte der Linzer Anwalt der Familie Soltis, den Erbschaftsakt des Primars zu überprüfen. Dies wurde jedoch von den Behörden abgelehnt.

Die Fälle Vollrath, Greiner und Soltisova wurden jeweils geschlossen, nachdem Dr. Rabl erklärt hatte, die Leichen der Opfer wiesen keine Anzeichen eines Verbrechens auf. Dies zeugt von dem enormen Gewicht, das die Staatsanwaltschaft auf gerichtsmedizinische Erkenntnisse im Vergleich zu anderen Untersuchungsmethoden legt. Somit hat der Gerichtsmediziner in unserer Gesellschaft eine Funktion von entscheidender Wichtigkeit, denn er verfügt über die Ausbildung, die Toten nach Anzeichen eines Tötungsdelikts zu untersuchen. Im Jahre 2007 gab Dr. Rabl ein Interview für Die Presse, in welchem er vor den gesellschaftlichen Gefahren warnte, wenn nicht genügend Autopsien durchgeführt würden – bedingt durch eine jüngere Rechtsreform ein zunehmendes Problem in Wien. »Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis unerkannte Tötungsdelikte passieren werden«, sagte er.

http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/350159/Zu-wenig-Obduktionen_Wien-optimal-fuer-perfekten-Mord

Zwei Jahre später betonte er, es sei von fundamentaler Bedeutung für das Rechtssystem, dass »ausschließlich natürliche Personen, die auch für ihre Gutachten persönlich haften, als Gerichtssachverständige zu bestellen sind. (…) Ohne unabhängige Sachverständige ist die Qualität der Gutachten gefährdet.«

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/NRSITZ/NRSITZ_00016/SEITE_0291.html

Diese Aussage wirft folgende Frage auf: Wie genau werden denn Unabhängigkeit und Qualität von Gutachten (in Österreich ein blühendes Geschäft) kontrolliert? Die Familien Föger und Vollrath hatten viel Zeit und Mühen investiert, um die niedere Qualität von Dr. Rabls Gutachten zu entdecken. Als sie versuchten, ihn dafür haftbar zu machen, wies die Justiz ihre Klagen ab.

Da Dr. Rabl nicht in der Lage oder nicht gewillt war, die Bedeutung der zerhackten Gliedmaßen und zerfetzten Kleidung Duncan MacPhersons und auch nicht in der Lage oder nicht gewillt war, die Löcher in Raven Vollraths T-Shirt und die Klingenspuren an seinen Rippen zu bemerken (die bei bloßem Hinsehen aufgefallen wären), warum sollte man ihm dann die Kompetenz zugestehen, die »Analysemethoden« seiner slowakischen Kollegen zu kritisieren? 

Als Jörg Haider 2008 bei einem Autounfall ums Leben kam, hieß es, seine Fahrtüchtigkeit sei durch einen hohen Blutalkoholspiegel von 1,8 Promille stark beeinträchtigt gewesen. Woher wissen wir, dass die Einschränkung der Fahrtüchtigkeit das Resultat übermäßigen Alkoholgenusses war und nicht einer bewusstseinsverändernden Substanz, die ihm jemand ohne sein Wissen ins Glas gegeben hatte? Wir können nur darauf vertrauen, dass die Gerichtsmediziner, die die toxikologischen Untersuchungen durchführten, kompetent und unparteiisch waren. Die erste Untersuchung wurde von den Grazer Gerichtsmedizinern Kathrin Yen und Peter Grabuschnig geleitet. Um deren Erkenntnisse zu überprüfen, beauftragte die Klagenfurter Staatsanwaltschaft Dr. Rabl mit einer zweiten Untersuchung. Können wir sichergehen, dass er diese kompetent und unparteiisch durchführte?

Das Urheberrecht auf den Inhalt dieser Seite liegt bei John Leake. Als Quellenangabe ist undbedingt anzugeben: http://www.coldalongtime.com/pages/andere-falle © 2013 John Leake

Der Autor dankt Henning Dedekind für seine große Hilfe bei der deutschen Fassung dieses Artikels.